Bana-litäten und Perfektion. Passt das zusammen? Vincenzo Latronico führt es vor und zerpflückt dafür in seinem Roman „Perfection“ die Lebensrealität der Millenials.
Zählt man nun (geburtsjahrbedingt) zu diesem kuriosen Stamm, ist die Chance tatsächlich groß, sich an der ein oder anderen Stelle wiederzufinden – in den liebevoll drapierten Second Hand Stücken in der Berliner Altbauwohnung oder im Home-Office-Organic-Lebensmittel-Hipster-Coffee-Alltag der beiden Protagonisten Anna und Tom.
Mittendrin steht der pinke Elefant in den sanft abgeschliffenen Vintage-Feel-Wänden: Wie viel Perfektion verträgt ein Leben? Oder besser gesagt, ist uns überhaupt noch bewusst, nach was wir essenziell streben? Latronico stellt mit ruhiger Eleganz die unangenehme Frage nach dem Sinn dieser Lebensgestaltung – Gleichzeitig gelingt ihm eine leise Kritik an Konsum, Arbeitsethik und Beziehungsmuster anzubringen.

Ein Quäntchen Trost
Würden Anna und Tom zum Pop-Hit „Life is life“ mitgrölen? Vielleicht nur verbunden mit einem Trip auf einer Bad Taste Party in Kreuzberg, sie dabei gefilmt werden und der Clip als gefilterter Reel auf ihrem Instagram-Channel landet. Denn neben ihrem Plattenspieler liegt vielmehr die Special Edition Vinyl von Kraftwerk oder LCD Soundsystem. Statt Individualität und Musikaffinität zu demonstrieren, tappen sie in die Falle, die Latronico ihnen und den Leser:innen damit so meisterhaft stellt – wir selbst kollektiv in diesen Szenen leben. Sogar Latronico selbst, der 1984 geboren wurde? (Übrigens genau in dem Jahr, als Opus ihren Hit „Life is Life“ feierten.)
Obwohl der Trugschluss dieser Berliner Existenz vehement den Horizont verdunkelt, ist doch konstant ein Quäntchen Trost spürbar. Ein echtes Ausbrechen aus der Generationsleere.
Zurecht war Latronicos perfekte Novelle 2025 für den Internationalen Booker Prize nominiert. Auf gerade mal 120 Seiten einer ganzen Generation den Spiegel vorzuhalten, zeigt nicht nur Mut sondern auch eine außergewöhnliche Art der Selbstreflexion. Eine, die zu einer echten Individualität führt? Wer weiß. Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass bei Latronico zumindest keine analogen Kameras oder light-roasted Kaffeebohnen aus Caldas von bärtigen Dänen aus Kopenhagen zu finden sind.
Perfection – Vincenzo Latronico, Fitzcarraldo Editions, Feb 2025
(Translation by Sophie Hughes)
Personal Rating: 4/5 Stars
